Baggerschäden und Havarien am Gasnetz durch den Einsatz von Erdraketen beim Breitbandausbau bringen Energieversorgern wie der NBB Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg zunehmend Probleme. Im vergangenen Jahr sind der NBB im gesamten Netzgebiet (Berlin, Brandenburg sowie Teile von Sachsen und Sachsen-Anhalt) Schäden von rund 1,1 Million Euro entstanden, ein erneuter deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Konkret kam es durch Tiefbauarbeiten von Firmen, aber auch Privatpersonen im Jahr 2023 zu 350 Rohrleitungsschäden. Häufigste Auslöser sind Baggerzugriffe, die in den NBB-Netzen in Berlin und in der Region jeweils über 120 Mal zu Störungen geführt und Kosten von knapp 700.000 Euro verursachten. Mit über 300.000 Euro zweithäufigste Ursache für Leitungsschäden sind Erdraketen, die vor allem in der Region beim Breitbandausbau verwendet werden und zu Ausfällen in der Energieversorgung führen können.
So waren in Priort-Elstal bei Wustermark im Landkreis Havelland Ende 2022 über 1000 Haushalte mehrere Tage vom Netz getrennt, nachdem eine beim Breitband-Ausbau verwendete Erdrakete eine Hochdruckleitung beschädigte. In Berlin-Reinickendorf konnte im Jahr zuvor nur durch den schnellen und professionellen Einsatz von Mitarbeitenden der NBB ein zweistelliger Millionenschaden für ein Unternehmen abgewendet werden, nachdem eine Gasleitung durch eine Erdrakete getroffen und die Versorgung der Schmelzöfen des Werkes gefährdet war.
Erdraketen finden immer häufiger bei Tiefbauarbeiten Verwendung, weil sie effektiv sind und die Vegetation schonen, da zur Leitungsverlegung keine kompletten Baugräben mehr ausgehoben werden müssen. Von der Startgrube ausgehend wird die Erdrakete – offiziell „pneumatisch betriebener Verdrängungshammer“ – bis zu 15 Meter durch das Erdreich getrieben, so dass eine Röhre entsteht, in die Leitungen in einem Arbeitsgang mit eingezogen werden. Besteht vor dem Einsatz von Erdraketen keine ausreichende Kenntnis über die Lage vorhandener Infrastrukturleitungen im Erdreich oder werden die Arbeiten von unzureichend qualifiziertem Personal durchgeführt, kommt es oftmals zu Schäden, die mit sehr hohem Aufwand repariert werden müssen.
Wer Tiefbaumaßnahmen plant oder durchführt, ist gesetzlich dazu verpflichtet, sich vorab bei den Netz- und Infrastrukturbetreibern vor Ort über mögliche Leitungsverläufe im Baugrund zu informieren. Planungsbüros und beauftragten Bauunternehmen entsteht ansonsten eine Schadensersatzpflicht gegenüber den betroffenen Netzbetreibern.
Aus der Statistik der NBB Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg aber geht hervor, dass nicht einmal die Hälfte der Schadensverursacher aus dem vergangenen Jahr vor Beginn der Bauarbeiten dieser Pflicht nachgekommen ist, obwohl diese Informationen sehr leicht einzuholen sind.
Die NBB-Tochter infrest - Infrastruktur eStrasse erteilt über ihr Metasystemportal Leico (Leitungs-check-online) deutschlandweit schon bei der Planung und vor Beginn von Tiefbauarbeiten Informationen über Trassenverläufe aller an das Portal angeschlossenen Netz- und Infrastrukturbetreiber (Leico - Leitungs-check-online).
Um vorzubeugen und Schäden vom Gasnetz abzuwenden, weist die NBB bei größeren Projekten im Breitband-Ausbau die ausführenden Unternehmen sogar am Einsatzort ein – allerdings nur, wenn diese sich bei der Netzgesellschaft melden. „Wir sind aus ureigenem Interesse an einer Abstimmung mit den jeweiligen Firmen interessiert, weil die Kenntnis über Trassenverläufe dem Schutz der Beschäftigten auf Baustellen und auch möglichen Schadensersatzforderungen bei eventuellen Leitungsbeschädigungen vorbeugt“, sagt Daniel Richter, Leiter Betriebsführung bei der NBB.
Die Erfahrungen der NBB von 2023 decken sich mit den Erhebungen im jüngsten Bauschadensbericht der VHV-Versicherungen, in dem ein kontinuierlicher Anstieg der jährlichen Schadensbeseitigungskosten um rund 24 Prozent genannt wird. Zu den erfassten Fehlerquellen gehören laut VHV die unzureichende Einholung von Leitungsauskünften sowie fehlende Fachkräfte bei parallel steigenden (technischen) Anforderungen an die Tiefbauarbeiten.